VARIS SANTS
Seit einem halben Jahrhundert durchmessen meine Schritte die Straßen unserer kleinen Stadt. Erinnerungen an das Hasenpoth meiner Kindheit oder Schulzeit betrachte ich als meinen Reichtum. In der Tat ist noch nicht so viel Zeit vergangen, seit ich zum Lehrer Ilmārs Šteinbergs ins alte Schloss ging, um Geschichte zu lernen. Die schönen alten Gebäude und romantischen Innenhöfe mit Brennholzschuppen in der Padomju-Straße am Tebberufer habe ich kennen gelernt. Nostalgische Stimmungen und Erinnerung an Traurigkeit haben sich mir eingeprägt.
Manche Gebäude nehme ich wahr wie einen zahnlosen Mund und möchte mich abwenden... Es ist jedoch müßig, nach Ursachen zu suchen. So ist nun mal der Lauf der Welt - wir werden geboren und wir sterben. Unsere Sorgen wechseln mit Freuden und täglichem Einerlei. Am Ende ist alles von einer Staubschicht des Vergessens bedeckt.
Ich mag es, in Erinnerungen einzutauchen, Geschichten zu hören und Ansichtskarten mit Motiven der Altstadt zu erkunden. Ich studiere, ich erinnere mich, ich vergleiche und mir wird plötzlich klar, dass es jemanden geben muss, der Hasenpoths Aussehen, so wie es heute ist, festhält. Es liegt nicht in meiner Macht, das alte Schloss wiederherzustellen, ich kann es aber auf meinen Fotos für künftige Generationen bewahren.
Noch aufregender ist es, die historischen Hasenpother Motive nachzustellen und aufzuzeigen, wie es dort heute aussieht. Ich bin froh, dass meine Fotos von unserer Stadt die Postkartenbeschreibungen unseres Hasenpother Geschichtsforschers Ivars Silārs ergänzen. Wir schaffen damit ein wunderschönes Stadtporträt über den Zeitraum des ganzen Jahrhunderts.
Mit der Kamera in der Hand begegnen mir unerwartet historische Bauernkarren. In der Libauer Straße kämpfen wir gemeinsam mit dem vereisten steilen Hang. Ich höre die Glocke der Rathausuhr vom alten Marktplatz. Und ich begreife, dass unsere Vorfahren – die Hasenpother - mich auserwählt haben, kleinste Ausschnitte aus der Geschichte dieser schönen Stadt zu enthüllen.
Ich habe erkannt, dass es nicht nur meine eigene Reise in Hasenpoths Vergangenheit ist, sondern vielmehr eine Botschaft für die Zukunft...