Kalwensche Straße 27 (ehemals Bojensche Straße 29)
Das Grundstück, auf dem das zweistöckige gemauerte Gebäude vom Foto steht, war schon Ende des 18. Jh. bebaut. 1798 nahm Eigentümer Otto Friedrich Wernich ein Darlehen von 1.000 Talern (Dālderus) für die Sanierung des Hauses auf, aber schon im nächsten Jahr verkaufte er es der Stadt Hasenpoth.
In der ersten Hälfte des 19. Jh. war hier das Lazarett der Stadt. 1848 hatte die Stadt ihr halb verfallenes hölzernes Haus umgebaut. Dabei wurden die Holzwände durch Ziegelwände ersetzt, die Dachkonstruktion aber beibehalten. In dem renovierten Gebäude gab es 8 Zimmer zum Wohnen. Auf dem Grundstück stand auch das 1848 gebaute Wirtschaftsgebäude mit drei Abteilen für Ställe und ein Zimmer für Wohnzwecke.
1854 bei Beginn der Verhandlungen mit der Verwaltung des kurländischen Gouvernements um die Erlaubnis, dieses Gebäude zu verkaufen, beurteilte der Architekt Winberg den technischen Zustand des Gebäudes wie folgt: „Es ist ein eingeschossiges Gebäude mit Ziegeldach, das aus gebrannten Ziegeln gebaut ist. Ausgenommen alle Holzteile, ist das Gebäude in einem guten Zustand.“
Mit Genehmigung des Gouvernements verkaufte die Stadt ihr Haus im Jahr 1860 Daniel Dannemann für 1.330 Rubel. Dannemann verkaufte es 1862 dem Kaufmann Herrmann Frey für 2.500 Rubel. 1871 erhielt die Stadt vom Gouvernement die Erlaubnis zum Kauf des Gebäudes von Frey, um es zum Krankenhaus umzubauen.
Das zweistöckige Haus vom Foto bekam im Laufe der Zeit an Stelle dieses Anbaus hofseitig andere Anbauten. Dieses zweistöckige Gebäude ist das einzige in Hasenpoth, das als Krankenhaus geplant, gebaut und auch dem Zweck entsprechend genutzt wurde.
Das Krankenhaus ist 1874 nach Plänen von Paul Max Bertschy (1840-1911), dem Absolventen der Petersburger Kunstakademie des Jahres 1869, der 1871 zum Stadtarchitekten von Libau, Grobin und Hasenpoth berufen worden war, dort errichtet worden, wo sich schon vorher das eingeschossige gemauerte Krankenhaus-Lazarett der Stadt befunden hatte.
Das neue Krankenhausprojekt unterzeichnete Bertschy am 23. April 1872.
Für Bauaufsicht und -leitung an diesem für zivile und militärische Zwecke vorgesehenem Krankenhaus zahlte die Stadt dem Architekten 4% der Baukosten - das waren 209 Rubel – von ihrem Budget.
Im Erdgeschoss waren geplant 4 Krankenzimmer mit entsprechend 3, 2, 4 und 4 Betten, Arztzimmer, Wohnung für den Wirtschaftsleiter, Dienstzimmer, Küche, darüber hinaus Badezimmer und 3 Toiletten. Im 1. Stock - 7 Krankenzimmer mit entsprechend 3, 2, 4, 4, 3, 3, 3 Betten, die Apotheke in der Mitte, Dienstzimmer, auch Küche und 6 Toiletten – drei in jedem Gebäudeflügel.
Die Toiletten und das Badezimmer waren in den beiden Anbauten auf der Hofseite - jeweils eins je Flügel, im Erdgeschoss der Zugang zu Toiletten und Badezimmer von einem Vorraum aus vorgesehen.
Auf Anordnung des kurländischen Gouverneurs vom 21. August 1875 wurde im ersten Stock des Stadtkrankenhauses ein Bataillonslazarett mit 20 Krankenbetten eingerichtet, wofür die Stadt 500 Rubel jährlich aus der Staatskasse erhielt. Während des Russisch-Türkischen Krieges (1877-1878) zog das im Kreis Hasenpoth dislozierte (aufgeteilte) Bataillon wahrscheinlich in den Krieg und in den 30 Krankenbetten wurden 1878 nur türkischen Kriegsgefangene verarztet. Viele von ihnen starben am Typhus. Mit ihnen auch der Feldscher des Hasenpothschen Kreises, der 43-järige Adelbert Neumann, der sie behandelt hatte.
1879 waren in dieser Adresse schon Kasernen, die die Stadtkasse mit 567,86 Rubeln belasteten. 1880 wurde mit dem lokalen Baumeister Grünberg der Vertrag über den Bau eines orthodoxen Gebetshauses neben der Kaserne geschlossen, wahrscheinlich der Anbau links auf dem Foto. Im ehemaligen Krankenhaus war die Militärverwaltung des Kreises Hasenpoth und von 1889 bis zum Sommer 1914 im Obergeschoss die Knaben- und Mädchenschule der orthodoxen Kirche. Unterrichtet wurde auf Russisch in der 1-klassigen Volksschule. Außerdem war da auch die Wohnung des Geistlichen.
Im Ersten Weltkrieg war in 16 Räumen die deutsche Elementarschule untergebracht.
1919 waren in diesem Haus Kreisverwaltung, Wache und Kommandantur.
In den Jahren der Lettischen Unabhängigkeit war hier die Hasenpothsche Militärverwaltung:
* anfangs war es Kreis Hasenpoth,
* im Februar 1920 Kreis Hasenpoth - Goldingen,
* ab 1921 war es die Militärverwaltung.
* Später war es die Militärkreisverwaltung Hasenpoth - Goldingen, die hier 10 Zimmer nutzten.
Am 5. März 1928 wurde der Vertrag geschlossen, mit dem die Stadt Hasenpoth ihre Liegenschaft in der Bojeschen Straße 29 dem Finanzministerium für 24.000 Lat verkaufte. Das Grundstück war dem Käufer schon am 1. Januar 1928 übergeben worden. Am 30. Januar 1934 wurde das Eigentum an diesem Grundstück auf den Namen des Kriegsministeriums umgeschrieben.